Neues Hautmikrobiom-Modell von Evonik unterstützt die Entwicklung besserer Kosmetika

Michelle Dargatz, Simulation & Analysis. Evonik Halle-Künsebeck: As some of the bacterial strains used cannot tolerate oxygen, biotechnologist Michelle Dargatz places them in a suitable culture medium in the absence of oxygen. ---- Michelle Dargatz, Simulation & Analysis. Evonik Halle-Künsebeck: Da einige der eingesetzten Bakterienstämme keinen Sauerstoff vertragen, bringt Biotechnologin Michelle ­Dargatz sie unter Sauerstoffausschluss in ein geeignetes Kulturmedium.

Essen. Ein neues Hautmikrobiom-Modell entwickelte Evonik. Dieses Modell erlaubt damit erstmals, den Einfluss von kosmetischen Inhaltsstoffen und Produkten auf die Hautmikroben wissenschaftlich fundiert im Laborversuch zu bewerten. Derzeit testet das Unternehmen kosmetische Inhaltsstoffe im eigenen Produkt-Portfolio, um dadurch evidenzbasierte Aussagen zur Mikrobiom-Freundlichkeit treffen zu können. Schließlich interessieren sich Kosmetikhersteller und Verbraucher zunehmend für wissenschaftliche Belege zur Wirkung von Kosmetika. Zudem schafft das Unternehmen mit den Daten auch die Grundlage für die Entwicklung noch besserer kosmetischer Inhaltsstoffe.

Neues Hautmikrobiom-Modell versucht die volle Komplexität des Hautmikrobioms darzustellen

Das Hautmikrobiom – also die Gesamtheit aller dort vertretenen Bakterien, Pilze und Viren – variiert von Mensch zu Mensch. Es unterliegt dabei vielen internen und externen Einflussfaktoren: von der Ernährung bis zur Sonneneinstrahlung. Das Auftreten bestimmter Bakterienklassen ist hierbei für bestimmte Hautzonen charakteristisch. Diese sich lassen als ölig, feucht oder trocken beschreiben.

„Viele moderne Kosmetika werben mit dem Versprechen, ‚mikrobiom-freundlich‘ zu sein“, sagt dazu Stefan Pelzer. Er ist bei Evonik verantwortlich für die Mikrobiomforschung. „Die aktuell dafür verwendeten Tests können allerdings die volle Komplexität des Hautmikrobioms gar nicht vollständig abbilden.“ In der Regel werde derzeit nur danach geschaut, wie sich die Inhaltsstoffe eines Kosmetikproduktes auf einzelne Bakterienarten auswirken. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen den Mikroorganismen blieben dabei jedoch außer Acht, so Pelzer.

Neues Hautmikrobiom-Modell nimmt im Labor die Wechselwirkungen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Mikroorganismen in den Blick

Mit dem neuen Hautmikrobiom-Modell nimmt Evonik hingegen im Labor genau diese Wechselwirkungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in den Blick. Dazu werden acht bis zehn typische Hautbewohner co-kultiviert. Das bedeutet, die Bedingungen sind so gewählt, dass alle Bakterienarten wachsen und interagieren können. Das ist damit eine besondere Stärke der neuen Herangehensweise. 

Als Messgrößen dienen dort die Zu- oder Abnahme der Biomasse sowie die Veränderung der Diversität in den Kulturen jeweils im Vergleich mit und ohne Testsubstanz. Anschließend folgt anhand einer Bewertungsmatrix die Einstufung. Das sind „mikrobiom-fördernd“, „mikrobiom-freundlich“, „mikrobiom-verändernd“ oder auch „mikrobiom-störend“. Dabei gilt jede gravierende Veränderung der Bakterienvielfalt grundsätzlich als negativ, weil die Schutzfunktion des Hautmikrobioms auf dem natürlichen Gleichgewicht der Mikroorganismen beruht. 

Neues Hautmikrobiom-Modell schließt Lücke zwischen „In-vitro-Tests“ und aufwändigen „In-vivo-Studien“

Der Mikrobenmix wächst in Mikrotiterplatten. In diesen standardisierten Gefäßen können dadurch bis zu 48 individuelle Proben zugleich untersucht werden – und das quantifizierbar und günstiger als mit bisherigen Methoden. Pelzer sagt: „Mit dem neuen Modell schließen wir somit die Lücke zwischen den simplen, jedoch weniger aussagekräftigen klassischen In-vitro-Tests und den aufwändigen In-vivo-Studien an Probanden.“

Neben dem Co-Kultur-Modell für eine balancierte Haut entwickelte das Team um Stefan Pelzer auch schon eines für Akne-anfällige Haut. Weitere Modelle sollen zudem gemeinsam mit Kunden aus der Kosmetikindustrie aufgebaut werden. Auch an einer weiteren Steigerung der Komplexität wird bereits gearbeitet. Möglich wäre etwa, die bakteriellen Co-Kulturen mit Gewebe- und Zellkulturmodellen zu kombinieren. „Mikroorganismen interagieren schließlich nicht nur miteinander, sondern auch mit den Hautzellen“, erklärt dazu Pelzer.

Neues Hautmikrobiom-Modell: Wissenschaftlich belegte Wirkversprechen entscheiden zunehmend über den Kauf von Produkten

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für einen großen Markt von Relevanz. Den weltweiten Einzelhandelsumsatz mit Kosmetik- und Pflegeprodukten schätzen Experten in diesem Jahr auf rund 460 Milliarden Dollar. 2027 sollen es bereits etwa 580 Milliarden Dollar sein. Dafür sind wissenschaftlich belegte Wirkversprechen entscheidend. Jeder zweite jüngere Verbraucher informiert sich deshalb vorab ausführlich über Inhaltsstoffe und Vorteile der Produkte, zeigt eine aktuelle Studie.

Neues Hautmikrobiom-Modell: Grundlagenforschung im Biotech Hub – Anwendungsforschung im Skin Institute

Das Unternehmen bündelt seine entsprechenden Vorhaben im eigenen Biotech Hub und im Skin Institute. Der Biotech Hub vereint dort die Kompetenzen von Evonik in der Biotechnologie. Dazu gehört ein tiefes Verständnis für komplexe biologische Systeme wie das Darm- oder das Hautmikrobiom sowie für biotechnologische Produktionsprozesse. Rund 150 Mitarbeiter arbeiten an den Standorten Hanau, Halle (Westfalen) und Shanghai daran, mittels Biotechnologie nachhaltige Lösungen für ein gesundes Leben und einen gesunden Planeten zu ermöglichen. Das sind damit die sogenannten „Biosolutions“ von Evonik. 

Aufgabe des 2023 gegründeten Skin Instituts ist es, derma-kosmetische Claims für das bestehende und geplante Kosmetikportfolio von Evonik zu belegen. Das Institut besteht dafür aus einem Netzwerk von Laboren in Singapur, Indien, Spanien und Deutschland.

Derma-Kosmetik steht dort für kosmetische Produkte, die Wirkstoffe enthalten, die der Haut gut definierte und wissenschaftlich belegte Vorteile bieten. Ein Claim beschreibt diese Vorteile. Es ist damit ein Leistungsversprechen, das dazu verwendbar ist, Produkte zu bewerben. 

[Text/Bild: EVONIK]