Berlin/Erfurt. „500 Apotheken in einem Jahr weniger. Diese Zahl nannten die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V, Landesapothekerkammer Thüringen und der Thüringer Apothekerverband e. V. bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Das sichere Netz der Arzneimittelversorgung wird damit immer löchriger. Allein im vergangenen Jahr stellten in Deutschland knapp 500 Apotheken ihren Betrieb ein. Das sind genauso viele, wie es in ganz Thüringen Ende des Jahres noch gab.
500 Apotheken in einem Jahr weniger: „Apotheken bieten Leistungen, die Menschen in ihrer wohnortnahmen Umgebung unbedingt benötigen“
„Unsere Patientinnen und Patienten müssen immer weitere Wege zur nächstgelegenen Apotheke zurücklegen. Mit der Arzneimittelberatung, den eigenen Herstellungen, Nacht- und Notdiensten, Impfungen und den pharmazeutischen Dienstleistungen bieten die Apotheken aber Leistungen an, die die Menschen in ihrer wohnortnahmen Umgebung unbedingt benötigen“, sagt Gabriele Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. „Die Situation ist mehr als dramatisch. Im vergangenen Jahr ist auf Bundesebene die Arzneimittelversorgung in der Größe Thüringens verschwunden. Das bedeutet, dass rein rechnerisch zwei Millionen Menschen ihre wohnortnahe Apotheke verloren haben und nun sehr wahrscheinlich weitere Wege haben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiß von dieser bedrohlichen Entwicklung, unternimmt aber rein gar nichts, um die Apotheken zu stabilisieren.“
500 Apotheken in einem Jahr weniger: Patienten brauchen echte Apotheken – Echte Apotheken brauchen Apotheker
„Wir haben die Talsohle der Apothekenzahlen auch in Thüringen noch nicht erreicht“, ergänzt Stefan Fink, der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes. Im Jahr 2023 schlossen in Thüringen zwölf Apotheken. In den ersten drei Monaten des neuen Jahres sind es schon wieder weitere vier.“ Der Apotheker sieht damit keine Anhaltspunkte für eine Besserung der Lage. „Diese negative Entwicklung ist schon lange absehbar. Sie hat zwei entscheidende Ursachen. Uns fehlen junge Apothekerinnen und Apotheker, weil trotz hoher Nachfrage zu wenige Studierende ihr Pharmaziestudium beginnen können. Zudem ist das System der Apothekenvergütung chronisch unterfinanziert. Die Politik weiß das. Sie scheut aber die notwendigen Schritte, weil sie andere Schwerpunkte innerhalb der GKV-Finanzierung an den Apotheken vorbei setzt. Die Alternative »Nichtstun« und Warten hat deutlich gravierendere Folgen: den spürbaren Verlust von Versorgungsqualität.“
500 Apotheken in einem Jahr weniger: „Die Lösung kann nicht sein, die hohe Qualität der Versorgung zu senken.“
Die vom Bundesgesundheitsminister eingebrachten Vorschläge aber auch Scheinlösungen zeigen, dass die Politik die falschen Schlüsse zieht. „Die Lösung kann nicht sein, die hohe Qualität der Versorgung zu senken. Gesundheit ist ein hohes Gut. Die Bürgerinnen und Bürger sollten diese nicht in Scheinapotheken ohne Notdienst und Rezepturen erleben müssen“, zeigt sich Ronald Schreiber betroffen. Der Präsident der Thüringer Apothekerkammer ist verärgert: „Seit vielen Jahren stellt sich Politik nicht der Verantwortung, die sie hat. Stattdessen propagiert man dort Lösungen, die mehr mit einer Abgabestelle als mit sicherer Arzneimittelversorgung zu tun haben. Das ist ein Armutszeugnis und hat deshalb nichts mit Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zu tun. Das lassen wir deshalb den Verantwortlichen nicht durchgehen“, so der Apotheker.
500 Apotheken in einem Jahr weniger: Neue Dachkampagne „Gesundheit sichern. Die Apotheke“ informiert an den Standorten
In den vergangenen Monaten führten die Standesvertretungen der Apothekerschaft zahlreiche politische Gespräche dazu auf Bundes- und Landesebene durch. Eine Stärkung der Apotheken ist nach wie vor nicht abzusehen. Overwiening kündigt daher an: „Um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und somit deren Gesundheit zu sichern, werden wir Apothekerinnen und Apotheker unsere Anliegen in den kommenden Wochen deutlich sichtbar vertreten.“ Dazu gehörten außerdem die berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten. Die ABDA-Präsidentin: „Im Rahmen unserer neuen Dachkampagne „Gesundheit sichern. Die Apotheke.“ informieren wir unsere Patientinnen und Patienten deshalb in den Apotheken über die bedrohliche Lage. Wir geben dabei den Menschen auch die Möglichkeit, sich im Rahmen einer bundesweit angelegten Umfrage zum Zustand Ihrer Arzneimittelversorgung zu äußern. Die Bundesregierung muss verstehen, dass der Erhalt der Arzneimittelversorgung wichtiger ist als Nebelkerzen, wie etwa Gesundheitskioske.“
500 Apotheken in einem Jahr weniger: Vorgelegter Sieben-Punkte-Plan auf Landesebene wird zum Forderungskatalog zur Landtagswahl
Kammerpräsident Schreiber fügt hinzu: „Wir sind stets zum Austausch und Dialog bereit. Die Kammer Thüringen hat alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angeschrieben und zum Dialog eingeladen. Auf Landesebene legten wir zudem einen Sieben-Punkte-Plan vor, der nun zur Landtagswahl ein Forderungskatalog geworden ist“, berichten Fink und Schreiber von den Thüringer Bemühungen. Sie ergänzen zudem: „Wenn es sein muss, werden wir auch wieder laut werden und für und mit unseren Patientinnen und Patienten auf die Straße gehen.“ Bundespolitisch umschreibt die ABDA-Präsidentin ihre Agenda so: „Wir werden deshalb nicht müde, die Verantwortlichen in Politik und auf Seiten der Krankenkassen an unsere gemeinsame Aufgabe zu erinnern. Gesundheit zu sichern ist kein Selbstläufer, weder im persönlichen noch im gesellschaftlichen Bereich. In Gesundheit muss man investieren.“
[Text/Bild: ABDA/Jakob Schröter]