Naturdrogerie eröffnet in Bern als inhabergeführtes Einzelhandelsgeschäft

Bern, Naturdrogerie. Am vergangenen Wochenende (6./7. Mai) war es so weit. Die beiden Drogistinnen mit Meisterprüfung Marlen Aeschlimann und Regula Schild öffneten in der Schweizer Hauptstadt die Türen ihre Naturdrogerie.

Schweiz: Inhabergeführte Drogerien konsolidieren bei etwa 500 Geschäften

Schon im Lande sei das heutzutage etwas besonderes, so die Tagezeitung „Der Bund“, in einem Bericht zur Eröffnung. Sie stützt sich dazu auf Zahlen des Schweizer Drogistenverbandes. „Die Zahl der Drogerien nimmt ab. Allein zwischen 2007 und 2013 hat sich ihre Zahl in der Schweiz von 642 auf 526 verringert. Das geht aus einer Analyse des Drogistenverbandes hervor. Der Jahresumsatz der Branche hat sich gleichzeitig aber erhöht, von 819 auf 856 Millionen Franken“, berichtet die Tageszeitung. Sie zitiert dazu Verbandspräsident Martin Bangerter: „Bangerter sagt, man könne heute von einer Konsolidierung sprechen.“

Deutschland: Allein Filialisten bauen das Netz der Drogeriemärkte aus

In Deutschland ist hingegen die Eröffnung eines inhabergeführter Drogeriemarktes derzeit fast undenkbar. Mehrere Mitarbeiter des am 27. Juni 2012 in die Insolvenz gegangenen Drogeriefilialisten „Schlecker“ versuchten, einzelne Märkte in Eigenregie fortzuführen. Ging nicht. Die Mitgliederzahl im Verband Deutscher Drogisten ist wiederum eher rückläufig anstatt steigend. Allein die verbliebenen Drogeriemarktfilialisten – allen voran Rossmann und dm drogerie-markt – bauen Jahr für Jahr aus.

Naturdrogerie: Umfeld keine 1a-Lage

Der Bund sieht in seinem Bericht von Montag, 25. April, der Eröffnung der Naturdrogerie skeptisch entgegen. Das liegt vor allem auch an deren urbanen Umfeld. Redakteur Dolf Barben:

„Auf einer Hinweistafel über der Rolltreppe, die gleich neben dem Ladeneingang in den Bauch des Einkaufszentrums hinabführt, prangen die Logos der drei Hauptkonkurrenten: Coop, Migros sowie das einer Apotheke. Das Wetter ist zwar schön, und doch hat man an dieser Stelle das Gefühl, sich vor einem Platzregen in Sicherheit gebracht zu haben. Vor dem Schaufenster macht sich ein Velounterstand breit, in der Nähe befindet sich eine Tankstelle, und auf der anderen Seite des Gebäudes durchschneidet die Ostring-Autobahn die Stadt. Das Gebiet am Freudenbergerplatz ist einer der unwirtlichsten Orte der Stadt Bern.

Ausgerechnet hier, im Ladenlokal der seit 1977 ansässigen Drogerie Rutschi, wollen Regula Schild und Marlen Aeschlimann ihre Naturdrogerie Bern eröffnen. Es werde die einzige «klassische Drogerie» in der Stadt Bern sein, sagen sie. Darunter sei eine Drogerie zu verstehen, die für sich alleine geschäftet, also nicht mit einer Apotheke verbunden ist, und wo Heilmittel auch noch vor Ort zubereitet werden.“

Naturdrogerie: Qualifikation und Fortführen eines Traditionsunternehmens sprechen für Erfolg

Barben ist gleichwohl erfreut über die gute Qualifikation sowie den Mut der beiden neuen Inhaberinnen:

„Schild und Aeschlimann, 41- und 29-jährig, absolvierten beide die Höhere Fachschule (HF); sie sind somit Drogistinnen mit Meisterprüfung. Kennen gelernt haben sie sich an einem Branchenanlass.

Bald merkten sie, dass sie ähnliche Vorstellungen davon haben, wie eine Drogerie zu führen ist «und dass wir es gemeinsam anpacken wollen». Die Gelegenheit liess nicht lange auf sich warten. Fritz von Allmen, der die Drogerie Rutschi die letzten Jahre geführt hat, hört Ende April auf. Nun beginne eine neue Ära, schreibt er in einem Extrablatt zur Neueröffnung.“

Naturdrogerie: Individuelle Betreuung und Therapie als Konzept

Die Frauen wissen, worauf sie sich einlassen und wie schwierig es ist, heutzutage in dieser Branche zu bestehen. Aber sie haben ein Rezept: Mit ihren drei Mitarbeitenden – darunter ein Lehrling – wollen sie die «eigentliche Drogistenidee» vermehrt ins Zentrum rücken, wie es Regula Schild ausdrückt. «Entscheidend ist das, was zuvor passiert – das Gespräch.» Marlen Aeschlimann. Das Kerngeschäft des Drogisten sei schliesslich der Umgang mit Drogen, worunter man ursprünglich getrocknete Pflanzenprodukte verstand.

Ins Ladenlokal wird deshalb nicht nur ein neuer Holzboden eingezogen: Im hinteren Teil ist auch eine Laborbox vorgesehen. Durch eine Scheibe hindurch werden die Kundinnen und Kunden dabei zuschauen können, wie die Drogistinnen Pflanzen zermörsern, Substanzen mischen und Tinkturen abfüllen.

Entscheidend sei aber das, was zuvor passiere – das Gespräch, sagt Marlen Aeschlimann. Lasse man sich auf das Gegenüber ein, offenbarten sich manche Probleme erstaunlich schnell. Dabei sei es möglich, ergänzt Regula Schild, dass jemand zwar die gleichen Symptome zeige wie eine andere Person, aber dennoch eine andere Therapie benötige.“

Begegnungsort Drogerie

„Die beiden Drogistinen messen der Vielfalt der natürlichen Heilmittel grossen Wert bei, wie sie sagen. Ihr spezielles Augenmerk liegt auf Schüsslersalzen, Spagyrik, Urtinkturen und Bachblüten. Doch ein Punkt sei ihr wichtig, betont Regula Schild: Das übliche Medikamenten-Sortiment deckten sie selbstverständlich vollumfänglich ab. «Wir stellen die Schulmedizin keineswegs infrage.»

Wenige Tage vor der Eröffnung geben sich die beiden Drogistinnen zuversichtlich. Blickt man von ihrem Laden die Giaccomettistrasse hinauf, sieht man in einiger Entfernung das Dach des Zentrums Paul Klee.

Der wenig freundliche Freudenbergerplatz ist umgeben von weitläufigen Quartieren. In der Gegenwart, die geprägt sei von Hektik und Anonymität, sagt Marlen Aeschlimann, lasse sich mit einer Drogerie durchaus ein Kontrapunkt setzen. «Mit unserer Drogerie wollen wir das erreichen», sagt sie, «sie soll ein Ort sein, wo man noch Zeit hat füreinander.»

Lageplan Naturdrogerie: Die Drogerie Rutschi befindet sich im Zentrum Freudenberg oben an der Rolltreppe, Giacomettistrasse 15, 3006 Bern, Autobahnausfahrt A6 Ostring, Tramendstation Nr. 7, Ostring. http://www.naturdrogeriebern.ch/

Ausgangssituation Schweiz: „Drogerien – Von zwei Seiten unter Druck“

Der Bund: „Die Zahl der Drogerien nimmt ab. Allein zwischen 2007 und 2013 hat sich ihre Zahl in der Schweiz von 642 auf 526 verringert. Das geht aus einer Analyse des Drogistenverbandes hervor. Der Jahresumsatz der Branche hat sich gleichzeitig aber erhöht, von 819 auf 856 Millionen Franken. Verbandspräsident Martin Bangerter sagt, man könne heute von einer Konsolidierung sprechen.

Die klassische Drogerie stehe von zwei Seiten unter Druck, sagt er. Auf der einen Seite stünden die Apotheken, auf der anderen Grossverteiler wie Coop und Migros. Letztere stellen besonders bei Kosmetikartikeln und Medizinprodukten eine Konkurrenz dar. Anders als Arzneimittel entfalten Medizinprodukte keine pharmakologische Wirkung.

Wer heute eine Drogerie erfolgreich führen will, muss laut Bangerter «fit und sportlich» unterwegs sein. Es müsse ihm gelingen, einen Mehrwert zu bieten und die Kundschaft davon zu überzeugen, dass sich ein Besuch in der Drogerie lohne. Ein «intelligentes Sortiment» sei ein Faktor, sagt Bangerter. Noch wichtiger aber sei, das «extrem steigende» Bedürfnis der Kundschaft nach individueller Beratung befriedigen zu können. Wer es verstehe, jemanden gut zu beraten und anschliessend noch ein speziell auf diese Person abgestimmtes Arzneimittel herzustellen, schaffe sich bereits einen grossen Pluspunkt, sagt Bangerter.“

[Text/Bild: Der Bund; Kosmetiknachrichten.de/Naturdrogerie]