Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Ihre Funktion und die Suche nach Alternativen – Ein Interview mit Birgit Huber

Darmstadt. Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Das thematisiert die Internetplattform Haut.de. Im Interview spricht sie dazu mit Birgit Huber, vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). Dabei geht es um kleinste Kunststoffteilchen, die oftmals mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind. „Der Großteil dieser Partikel entsteht durch größere Plastikabfälle, die langsam zu Mikroplastik zerfallen“, so die Digitalplattform rund um Kosmetik. Mikroplastik sie aber auch in einigen Produkten enthalten. Unter anderem in kosmetischen Produkten, die als Verursacher diskutiert werden, so Haut.de.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Zur Interviewpartnerin Birgit Huber

Birgit Huber ist Lebensmittelingenieurin und Leiteri  n des Kompetenzpartners Schönheitspflege beim IKW. Sie verfügt inzwischen über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der Kosmetikbranche. Als anerkannte Expertin für kosmetische Produkte wirkt sie zudem in unterschiedlichen Gremien mit. Das sind zum Beispiel die Kosmetik-Kommission beim BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) und der Vorstand des IVDK (Informationsverbund Dermatologischer Kliniken). Hinzukommen außerdem diverse europäische Kommissionen. Haut.de weiter: „Häufig sind Beiträge von Birgit Huber mit Hintergrundinformationen zu kosmetischen Fragestellungen zudem in internationalen und nationalen Zeitschriften sowie Fachbüchern zu finden.“

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln. haut.de: Welche Rolle spielt Mikroplastik aus kosmetischen Produkten bei der Verschmutzung der Meere mit Kunststoffen?

Birgit Huber: Kosmetische Produkte spielen – anders als in der Öffentlichkeit oft dargestellt – bei der Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik eine untergeordnete Rolle. Das belegt auch eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik zum Thema Kunststoffe in der Umwelt. Wissenschaftliche Schätzungen gehen dort von einem geringen mengenmäßigen Anteil an Mikroplastik aus kosmetischen Produkten am Gesamteintrag in die Nordsee aus. So zwischen 0,1 und 1,5 Prozent.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Was unternehmen die Hersteller gegen Mikroplastik in ihren Produkten?

Birgit Huber: Die Kosmetikhersteller sind sich der Bedeutung eines umfassenden Gewässerschutzes sehr bewusst. Sie unterstützen deshalb europäische und weltweite Maßnahmen, um die Mengen an Plastik, die zur Verunreinigung der Meere beitragen, zu reduzieren. So empfahl Cosmetics Europe, der europäische Dachverband der Kosmetikindustrie, bereits im Oktober 2015, bis 2020 feste, schwer abbaubare Kunststoffpartikel, die in abzuspülenden kosmetischen Produkten aufgrund ihres Reinigungs- und Peelingeffekts eingesetzt werden, durch alternative Stoffe zu ersetzen. Dieser Empfehlung folgte die Kosmetikindustrie sehr frühzeitig. Die Menge an Kunststoffpartikeln zu Reinigungs- und Peelingzwecken reduzierte sich deshalb laut einer Umfrage von Cosmetics Europe bis 2017 bereits um 97 Prozent.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: IKW informierte bereits 2018 die Mitgliedsfirmen zum Einsatz von Trübungsmitteln in Produkten

Birgit Huber: Und auch bei Trübungsmitteln, das sind sogenannte Opacifier, die den Produkten eine cremige Textur verleihen, ist der Ausstieg von den Herstellern bereits teilweise umgesetzt. Der IKW gab seinen Mitgliedsfirmen eine bereits 2018 im Rahmen des Kosmetikdialogs geäußerte Bitte dazu vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und vom Umweltbundesamt weiter. Ziel dabei: den Einsatz von Trübungsmitteln zu überdenken, sofern diese unter die Mikroplastik-Definition fallen.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Dieser freiwillige Verzicht bezieht sich auf abwaschbare Produkte. Warum waren feste Kunststoffpartikel in anderen Produkten bisher nicht Teil der freiwilligen Ausstiegspläne der Kosmetikhersteller?

Birgit Huber: Die wissenschaftliche Kritik an Mikroplastik bezieht sich vorrangig auf feste Kunststoffpartikel. Diese können durch Abspülen ins Abwasser gelangen. Das war beispielsweise bei abwaschbaren Peeling-Produkten der Fall. Die Kosmetikhersteller konzentrierten sich beim Austausch von Mikroplastik daher zunächst auf die Stoffklasse der Peeling-Partikel. Diese machten zudem den mengenmäßig größten Anteil an Kunststoffpartikeln in kosmetischen Produkten aus. Aber auch bei Trübungsmitteln stellten schon viele Hersteller auf Alternativen um. Leave-on-Produkte – das sind Produkte, die nach dem Auftragen auf der Haut oder dem Haar verbleiben – waren bisher in den Ausstiegsplänen der Kosmetikhersteller nicht enthalten. Schließlich werden sie typischerweise nicht abgewaschen. Sie werden zum Beispiel durch Abschminken über den Hausmüll entsorgt. Somit gelangen sie überwiegend nicht ins Abwasser.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Gibt es in Zukunft gesetzliche Beschränkungen für Mikroplastik in kosmetischen Produkten?

Birgit Huber: Ja, es wird voraussichtlich Beschränkungen geben. Die europäische Chemikalienagentur ECHA gab Anfang 2019 eine Empfehlung ab, die Verwendung fester Kunststoffpartikel in Kosmetik in Zukunft zu beschränken. Sie schlägt dafür bestimmte Übergangsfristen vor. So umfassen die empfohlenen Beschränkungen dort nicht allein feste Kunststoffpartikel in abwaschbaren Produkten. Neben den Peeling-Partikeln betrifft das deshalb ab voraussichtlich 2026 unter anderem auch Trübungsmittel. Die sogenannten Opacifier. Darüber hinaus empfiehlt die ECHA voraussichtlich ab 2028 eine Beschränkung fester Kunststoffpartikel in Leave-on-Produkten.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln. Welche gesetzlichen Beschränkungen für Mikroplastik in kosmetischen Produkten gibt es?

Birgit Huber: Die EU-Kommission veröffentlichte dazu im September 2023 eine Reihe von Beschränkungen. Sie betreffen dabei die Verwendung von bewusst zugesetzten synthetischen Polymermikropartikeln. Umgangssprachlich bezeichnet als Mikroplastik. Diese Beschränkungen umfassen hierbei synthetische Polymermikropartikel, deren Abmessungen bis zu 5 mm groß sind. Hinzukommen dort auch bestimmte Fasern einer Länge bis zu 15 mm. Von diesen Beschränkungen sind nicht nur kosmetische Produkte betroffen. Auch viele relevante Verwendungen von Mikrokunststoffpartikeln in anderen Branchen schließt das ein.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Zukünftige gesetzliche Beschränkungen für Kosmetikprodukte zeitlich unterschiedlich gestaffelt

Birgit Huber: In den verschiedenen kosmetischen Produktkategorien werden die gesetzlichen Beschränkungen zeitlich gestaffelt wirksam. So gilt für Peeling-Partikel, sogenannte Microbeads, die Beschränkung inzwischen seit dem 17. Oktober 2023. Für synthetische Polymermikropartikel in abwaschbaren Produkten wird die Beschränkung zudem ab Oktober 2027 wirksam. Dazu gehören unter anderem Wachse und Trübungsmittel. Für Make-up-, Lippen- und Nagelprodukte gilt die Beschränkung dagegen erst ab Oktober 2035. In allen anderen kosmetischen Leave-on-Produkten wird die Beschränkung der Verwendung von bewusst zugesetzten synthetischen Polymermikropartikeln ab Oktober 2029 wirksam.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Welche alternativen Stoffe setzen die Kosmetikhersteller anstelle des Mikroplastiks zukünftig ein?

Birgit Huber: Die Kosmetikhersteller sind sehr aktiv und arbeiten an alternativen Lösungen. Es gibt heute bereits eine Reihe von alternativen Stoffen, um feste Mikrokunststoffpartikel zu ersetzen. So ersetzen inzwischen zum Beispiel Walnussschalen und andere Fruchtschalen Peeling-Partikel. Auch Wachse, Zellulose oder mineralische Stoffe kommen dort zum Einsatz. Und auch in Bezug auf Kunststoffpartikel, die als Trübungsmittel in abwaschbaren kosmetischen Produkten eingesetzt werden, arbeiten die Hersteller sehr aktiv an Alternativen.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln. Mikroplastik-Inhaltsstoffe bei verschiedenen Produkten bisher essentiell für die „Haftleistung“ auf der Haut

Birgit Huber: Für andere Mikroplastik-Inhaltsstoffe, beispielsweise in Leave-on-Produkten wie Make-up, Lippen- und Nagelprodukten, gibt es gegenwärtig nur in Einzelfällen alternative Lösungen. Das liegt daran, dass die Mikroplastik-Inhaltsstoffe häufig essenziell für die Produktleistung sind. So tragen beispielsweise die eingesetzten Mikrokunststoffpartikel in Puder ganz wesentlich dazu bei, dass das Puder auf der Haut gut haftet. Geeignete Alternativen zu diesen Stoffen, die genauso leistungsfähig, hautverträglich und haltbar sind, sind bisher nur für Einzelfälle verfügbar.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Wie können Verbraucher Mikroplastik in kosmetischen Produkten erkennen?

Birgit Huber: Dies ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Anhand der Inhaltsstoffliste lässt sich nicht ablesen, ob die Stoffe in Form von Partikeln vorliegen und es sich somit um Mikroplastik handelt. Die von einigen Einkaufsratgebern als Hinweis auf Mikroplastik genannten Stoffverbindungen sind häufig kein Mikroplastik. Es handelt sich hierbei vielfach um synthetische Polymerverbindungen. Diese liegen jedoch in gelöster Form vor und sind somit kein Mikroplastik. Anders als feste Kunststoffpartikel tragen gelöste Polymerverbindungen nach der Meinung von Experten nicht signifikant zu einer Verschmutzung der Meere bei. Kläranlagen filtern sie zudem überwiegend heraus.

Mikroplastik in kosmetischen Mitteln: Hintergrundinformationen

„Kunststoffe in kosmetischen Mitteln“ auf www.ikw.org

Vielen Dank für das Gespräch!

[Text/Bild: haut.de]